Pistorius spricht erstmals offen über deutsche Soldaten in der Ukraine
Der deutsche Verteidigungsminister Boris Pistorius und sein estnischer Amtskollege Hanno Pevkur haben ihre Bereitschaft signalisiert, „mit Bodentruppen zur Sicherung des Friedens in der Ukraine beizutragen“. Das berichtet das US-Magazin Politico. „Ich kann mir keine Situation vorstellen, in der Deutschland sich nicht an den Verhandlungen über einen Waffenstillstand oder gar Frieden beteiligen würde“, sagte Pistorius am Donnerstag auf einer gemeinsam von mehreren Medien organisierten Veranstaltung in Berlin. Pistorius sagte demnach: „Aber es muss entschieden werden, wenn es soweit ist, und es hängt von so vielen Parametern ab, wie zum Beispiel: Wie viele Truppen werden überhaupt in den Waffenstillstand aufgenommen? Wie könnte das Mandat aussehen? Wer nimmt daran teil? Das sollten wir nicht öffentlich diskutieren, bevor überhaupt klar ist, ob es einen Waffenstillstand geben wird oder nicht.“
Bisher Pistorius gesagt, dass das Thema erst zur gegebenen Zeit diskutiert werden solle. Laut seiner Aussage ist demnach der Punkt erreicht, an dem man den Einsatz deutscher Truppen zumindest „nicht öffentlich diskutieren“ sollte
Der estnische Minister Pevkur sagte, das Mandat für den Truppeneinsatz sei zu klären. Er erwähnte laut Politico ausdrücklich deutsche Truppen, als liege schon eine Zusage vor: „Wenn unsere Truppen – deutsche, estnische, französische und britische – dort sind, sind sie dort fest verankert, und Russland wird versucht sein, uns dort zu binden und uns dann woanders zu testen“, sagte Pevkur. „Es gibt so viele Dinge zu besprechen, bevor wir sagen: ‚Ja, wir sind da‘ oder ‚Ja, wir werden die Ukrainer auf diese Weise unterstützen.‘ Aber wir werden das mit Sicherheit sehr ernsthaft diskutieren.“
Pevkur sagte, die ideale Sicherheitsgarantie für die Ukraine wäre eine NATO-Mitgliedschaft. Pistorius hält dies aber wegen der laufenden Gespräche zwischen den USA und Russland für unwahrscheinlich. Pistorius und kritisierte US-Präsident Donald Trump: „Präsident Trump hat die NATO-Mitgliedschaft der Ukraine ohne Druck vom Tisch genommen. Deshalb befürchte ich, dass die NATO-Mitgliedschaft der Ukraine vom Tisch ist, und ich hoffe, dass sie nicht dabei bleibt. Aber wir werden sehen.“
Pistorius bezweifelte, dass die Europäer bei den Gesprächen der Trump-Regierung einen Platz am Verhandlungstisch ergattern können. Er zeigte sich auch skeptisch über den Vorstoß des britischen Premiers Kier Starmer und des französischen Präsidenten Emmanuel Macron, mit der Bereitschaft zur Entsendung von sogenannten „Friedenstruppen“ die Gunst Trumps zu gewinnen: „Mal sehen, ob sie erfolgreich sind“, sagte Pistorius über den französisch-britischen Ansatz. „Ich hoffe es, aber im Moment glaube ich nicht daran. In Washington gibt es kein sichtbares oder hörbares Signal, dass sie bereit sind, uns an den Verhandlungstisch zu lassen. Und ich fürchte, das könnte so bleiben“, so der Minister.
Russland hat in den vergangenen Monaten klargemacht, dass man einen Einsatz von Nato-Truppen nicht akzeptieren werde. Moskau hat wiederholt erklärt, dass die russische Armee Nato-Soldaten in der Ukraine als feindliche Kräfte betrachten und bekämpfen würde.
Unterdessen hat in Polen die Debatte über die Wiedereinführung der Wehrpflicht begonnen. Jarosław Kraszewski, ehemaliger Kommandeur der polnischen Raketen- und Artillerie-Landstreitkräfte, sagte auf Radio Zet, der Plan von Donald Tusk Plan für eine freiwillige Aufstockung Plan sei zu wenig und komme zu spät: „100.000 Menschen pro Jahr ausbilden? Zu wenig. Wir sollten die Wehrpflicht wieder einführen. Wir haben uns auf einen konsumorientierten Lebensstil, die Freuden der Demokratie und problemloses Reisen um die Welt umgestellt, aber wir haben vergessen, dass jeder von uns über Grundkenntnisse in diesem Bereich verfügen sollte.“
In Deutschland hat diese Debatte noch nicht Fahrt aufgenommen. Allerdings ist Pistorius seit seinem Eintritt in die Verteidigungspolitik ein entschiedener Vertreter einer massiven Kriegsertüchtigung Deutschlands. Pistorius hat gute Chancen, sein Amt auch unter Friedrich Merz zu behalten. Die Umfragen ergeben für ihn seit langem gute Werte. In den Umfragen rangiert Pistorius unangefochten als der beliebteste Politiker Deutschlands.
Allerdings hat Merz mit dem Beschluss eines faktisch unbegrenzten Rüstungsetats aktuell die Möglichkeit, massiv auch in die Truppe zu investieren. Unklar ist allerdings, ob innerhalb kurzer Zeit eine schlagkräftige Truppe aufgestellt werden kann. Es könnte schwierig werden, die „Kriegstüchtigkeit“ der Deutschen auch in Zahlen zu gießen: Selbst bei einem militärischen Angriff auf Deutschland wären einer ntv-Umfrage zufolge lediglich 17 Prozent der Deutschen bereit, das Land selbst mit der Waffe zu verteidigen.